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Ansprache im feierlichen Gottesdienst anlässlich des 40. Weihejubiläums

von Bischofsvikar Manfred Amon

 

frühere Predigten:

Predigt in der österlichen Bußzeit zum Thema ‚Sakrament der Versöhnung‘

Predigt zum 4. Advent (Evangelium Mt 1,18-24)

Predigt zum 2. Advent (Evangelium Matthäus 3:1-15)

Predigt zur Priesterweihe am 21.09.2013

Fürchte dich nicht …

Einfach glauben …

Die Sache mit dem ungläubigen Thomas …

... der werfe den ersten Stein

Ein Traum von Kirche – eine Vision voller Hoffnungen

Mit Netz und doppeltem Boden 

Christus kommt

 

 

Ansprache im feierlichen Gottesdienst anlässlich des 40. Weihejubiläums

von Bischofsvikar Manfred Amon

© Manfred Amon, Bischofsvikar der Alt-Heilig-Katholischen Kirche

 

Meine liebe Familie, liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder!

 

Es ist nicht zu verkennen, dass unsere Welt in Gärung ist, dass dieses 21. Jahr-hundert die Epoche einer unheimlichen geistigen Umwälzung ist. Da gärt es, da brodelt es wie ein Vulkan. Und es muss dabei etwas herauskommen, aber kein Abfall, kein Müll, nicht Zerstörung und Ende. Sondern es muss die Menschheit von morgen herauskommen, die seit Urzeit Traum aller Menschen ist, eine Menschheit, die aufatmet und die aufstrahlen kann in einer größeren Mitmenschlichkeit, als eine Familie, als geschwisterliche Gemeinschaft aller Menschen auf dieser Erde. Das müsste passieren, das ist mein Traum.

 

Es müsste eine Bekehrung beginnen, die in mir selbst stattfindet, die mich zu einem Menschen macht, der nicht auf der Stelle tritt, sondern in die Zukunft hineingeht, der wieder aufbricht.

 

Im Blick auf die christliche Geschichte müssen wir sagen, dass Kirche ständig in einem Denkprozess ist, dass sie dabei sehr viele Fehler gemacht hat. Es gab aber immer wieder Menschen, die sich auf die Seite der vom Staat oder auch von der Kirche Unterdrückten gestellt haben. Ihnen war klar, es muss etwas passieren, es muss sich etwas verändern, sonst geht es bergab mit dieser Menschheit.

Und was geschah? Sie wurden kaltgestellt von christlichen Politikern und leider auch von Kirchenfürsten. Und deswegen müssten wir uns als Kirche besinnen. Und christliche Machthaber auf Regierungsbänken und auch auf Bischofsstühlen müssten sich besinnen, ob das so geht.

Wir müssen anklagen und zugeben, dass in der Geschichte vieles in einer unheil-vollen Verkettung zwischen Macht und Evangelium gelaufen ist. Solange das nicht bereinigt und überwunden ist, solange nicht Christen wirklich bis an die tiefste Stufe des Dienens gegangen sind, wird sich das nicht glaubwürdig lösen lassen.

 

Ich träume von einer Kirche, in der jeder sich mit seiner Sprache und seiner Entwicklung einbringen kann und trotzdem von allen verstanden wird.

Eine unglaubliche Vielfalt müsste ausbrechen in der Kirche und nicht eine römische Einheitskragenweite.

Der mir - vermutlich auch uns – sympathische Papst Franziskus, der gestern Europa den Spiegel vorgehalten hat, hat auch das Problem Kirche längst begriffen. Aber es scheint, dass es sich in der römischen Kurie und bei einigen anderen machterfüllten Kirchenvertretern noch nicht herumgesprochen hat. Der Egoismus kann überall Schleichwege finden, um zu vermeintlichem Recht zu kommen und sich durchzusetzen.

 

Wir Christen an der Basis, wir müssen Motor werden. Wir müssen es leben und sagen, dass der Mensch Gottes Bild und Gleichnis ist, sozusagen Verkörperung seiner Fantasie und seiner Liebe. Wenn Gott nicht mehr sichtbar wird auf den Zügen des Menschen, dann wird der Mensch nur noch ein Klumpen Materie. Dann können wir noch so ideal und großartig von ihm denken. Die Konsequenz ist, dass er ein Rad im Getriebe wird, planbar, machbar in Zahlen. Der verplante Mensch, der geboren wird und wieder stirbt, der Platz machen muss für den Nächsten, der aber keinen Platz hat in den ewigen Ausmaßen dieser Menschheit und der Welt.

 

Da sind wir Christen ganz enorm gefordert. Es geht nicht darum, nur materielle Probleme zu lösen und vielleicht das Portemonnaie zu öffnen. Es geht nicht nur darum, für Humanität einzutreten und das Nächstliegende zu tun. Sondern es geht ganz entscheidend um die Frage: Was und wer wird die Zukunft der Menschheit bestimmen? Welches Ziel wird da sein? Wie wird der Mensch aussehen, der morgen ist? Welche Botschaft wird die Welt verändern?

 

Es ist ein Kampf der Systeme einer geistigen Auseinandersetzung. Da gibt es ein Ringen, das mit einer großartigen Bewegung diese Welt ergreift und im Letzten nicht vom Bösen ist, sondern vom Geist Gottes, (mit dem wir am Pfingstfest wieder den Geburtstag der Kirche begehen).

Der Geist ist immer ein Stück Sturm. Und wenn er uns in den Sturm stellt, wenn es uns dabei ungemütlich wird, könnte es geradezu sein, dass die große Entdeckung des Christentums erst noch bevorsteht. Diese Welt muss im Grunde christlich werden oder sie wird zum Teufel gehen. Ich weiß, das ist eine unheimliche Behauptung. Aber was hilft es zu sagen: „Jeder vierte Erdbewohner ist Christ!“?

 

Wir können auch mal über die Statistik hinaus auf den Putz klopfen und fragen: „Ja, wo sind denn diese vielen Christen?“ Schauen wir doch einmal unser Leben an. Geht von meinem Leben so viel Strahlkraft aus, dass sich aufgrund meines Christseins ein Mensch zu Christus bekehren würde? Geht von Ihrem Leben so viel gewinnende Kraft aus, dass da einer zum Nachdenken kommt und sagt:

„Das lohnt sich, ich kenne einen, der lebt so. Das ist einfach umwerfend! Der strahlt aus, der ist so im Innersten begeistert, ohne dass er viel Worte darüber macht. — Das überzeugt mich, und ich sage mir: Ich müsste ja eigentlich auch ein bisschen so sein.“

 

Der erste Schritt zur Bekehrung. — Seht, wie sie einander lieben! Seht, was für tolle Menschen diese Christen sind. — Oder sind wir Blindgänger? Blindgänger, wenn es darum geht, Christsein zu leben und Christentum weiterzugeben?

Ich kann mich selbst von dieser Frage nicht ausschließen. Ich muss gestehen, dass ich oft blind bin. Vielleicht sind wir Zerrbilder, abschreckende Beispiele dessen, was Christus eigentlich gewollt hat. Und wie soll denn der Welt ein Licht aufgehen, wenn es da so viele Blinde gibt?

Christsein und Kirche fangen bei uns an. Es muss uns ganz persönlich ergreifen, es muss uns packen. Wir müssen etwas verändern, damit diese Welt eine andere wird. Wenn jeder von uns durch gelebtes Christsein einen Menschen überzeugen würde, wären wir doppelt so viele.

 

Das ist mehr als eine Mathematiker-Rechnung. Das wäre der Vorgang, der passieren müsste, damit noch einmal ein Pfingsten ausbricht in dieser Welt, damit Gottes Geist wieder zum Zuge kommen kann.

Oder stellen Sie sich vor, wir würden hinausgesandt. Wir hätten alle Kräfte, die die Urchristen hatten, diese geballte Energie, diese Begeisterung. Und jeder von uns würde es weitersagen. Jeder von uns würde es ausstrahlen.

Ja, stellen Sie sich vor, Christus hätte am Anfang so viele Leute gehabt, wie heute Abend und morgen früh in unseren Kirchen sitzen. Was hätte er damit gemacht? Was machen wir heute daraus? Diese Unruhe muss uns ergreifen und wir müssen fragen: „Was ist überhaupt mit der Bilanz des Christentums hier und heute? Wie wird es weitergehen mit dieser Welt?“

Es kann sein, dass wir da ganz schön stumm werden und merken, wie wir mit dem Latein am Ende sind

 

Vielleicht sollten wir mal nach Afrika schauen, wo christliche Gemeinden eine Lebendigkeit entwickeln, auch in ihrer Liturgie, nicht römisch, sondern afrikanisch, mit dem Reichtum ihrer Gebärden, ihrer Musik, ihres Tanzes, ihrer Lebens-gewohnheiten, vor denen wir eigentlich nur staunen können, in einer Kirche, — reich an Menschen, an Ideen, an Fantasie, an Farben und Formen über alle Grenzen hinweg.

 

Und wenn ich eben gesagt habe, die künftige Welt muss wieder christlich werden, wenn sie nicht zum Teufel gehen will, dann heißt das nicht, dass nun ein massenhafter Andrang in kirchlichen Anmeldebüros stattfinden soll. Das wäre zwar auch schön, aber ich finde, wir müssen einen Raum anbieten, in dem Menschen durch-aus leben könnten. Es wäre egal, ob sie katholisch oder evangelisch würden oder wenn sich das Profil einer ganz neuen Christenheit abzeichnen würde, einer Gemeinschaft, die über die Konfessionen hinweg neu und fantasievoll die Zukunft gestaltet, das wäre noch viel wichtiger. Keine Kirche hat die vollkommende Wahrheit und Lehre gepachtet.

 

Ja selbst, wenn so und so viele gar nicht Christen würden, sich aber die Botschaft Christi in ihnen durchsetzen würde, dann wäre das der Weg, den ich gemeint habe. Denn christlich werden heißt nicht unbedingt, in einem Taufregister zu stehen. Sondern eine christliche Welt, das wäre eine Welt, wo im Menschen Gott selbst wieder sichtbar wird.

 

Gott als der, der sich solidarisiert mit den Ärmsten und den Gequälten, mit den Hungernden und auch mit Flüchtlingen, Gott, der uns ansieht als der Geringste unserer Schwestern und Brüder.

Aber er ist auch der Gott, der als der Wunderbare jedes menschliche Antlitz adelt und sagt: „Der Mensch ist mir heilig. Der Mensch ist mein Ebenbild und Gleichnis!“ Gott bringt uns gerade da das Staunen wieder bei über die Größe seiner eigenen Liebe.

 

Amen

 

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frühere Predigten:

 

Predigt in der österlichen Bußzeit

zum Thema „Sakrament der Versöhnung

© Manfred Amon, Bischofsvikar der Alt-Heilig-Katholischen Kirche

Liebe Schwestern und Brüder,

Fastenzeit, österliche Bußzeit, da denke ich an „Sünden vergeben“, da denke ich an „Buße“, „Beichte“, „Beichtstuhl“. Mussten Sie auch zum Empfang des Beichtsakraments dieses seltsame, dunkle, angstverbreitende Möbelstück benutzen? Spüren Sie vielleicht noch den drohenden Fingerzeig einer Kirche, die den Menschen auf die Knie zwingen will?

Das ist die Frage:  Muss ich oder muss ich nicht? Kann die Kirche überhaupt? Und: Was geht denn das den da an?

 

Wer an dem Punkt ist, der merkt, dass es sehr eng wird, dass wir nicht mehr froh werden können über unseren Glauben. Das Wort Buße hat einen schrecklichen Klang, der uns niederhält, aber nicht aufrichtet, weil wir als Kirche das Thema immer unter der Drohung „Du musst“ angepackt haben.

Je enger mir jemand mit dem Holzhammer eines Gebots kommt, desto mehr suche ich nach Auswegen, möglichen Hintertürchen. Ich komme mir nachher selbst nicht mehr ehrlich vor. Fragen wir Jesus: Was wollte er, als er auf die Menschen zuging?

 

Ich möchte Versöhnung und Vergebung ein bisschen anleuchten, wie es in unserem Bewusstsein sichtbar werden müsste. Wenn z. B. zwei Menschen in Streit leben, zwei Eheleute Krach haben (… das soll es ja geben), wenn buchstäblich das Tischtuch zerschnitten ist und der erste Schritt nicht mehr möglich scheint … meinen Sie, dass der beste und nächste Weg der in den Beichtstuhl ist? Wo der eine hingeht, seine Rechnung mit dem lieben Gott quitt macht und denkt: „Der andere kann mir gestohlen bleiben, aber wir sind wieder in der Reihe?“

 

Das haut doch nicht hin! Jeder, der das einmal versucht hat, weiß, wie unehrlich und unbefriedigend das bleibt, solange nicht der wirklich nächste Schritt getan ist: Versöhnung und Vergebung zwischen zwei Menschen. Wenn ein solcher Schritt möglich ist, können Sie sicher sein, dass Gott auch ohne Beichte in dieser Versöhnung drin ist, anwesend ist. Genau das will Gott: Sünde ist da, wo etwas kaputt ist, wo Kontakt gestört ist, wo Leben zerstört ist, wo Liebe verletzt ist, wo ich sage: „Da stimmt zwischen uns etwas nicht und ich bin schuld daran.“

 

Wenn ich mich am Abend eines langen Tages persönlich stelle, mit meinen Problemen und meiner Schuld, dann frage ich Gott: „Wie stehe ich heute vor dir da?“ Oder wenn ich am Morgen frage: „Gott, welche Chance bietest du mir heute?“ Finden Sie nicht, dass das der großartige Funkkontakt zu ihm ist?

Wenn ich überhaupt an ihn herantrete, dann ist doch das, was wir „Sünde“, „Fehler“, „Schuld“ nennen, überwunden. Dann kommt dieses „Ich“ und „Du“ zustande, das mich tragen kann. Oder wenn ich mich hier mit Ihnen als Gemeinde versammele, am Anfang das Erbarmen Gottes herabrufe, wenn ich bekenne, dass ich mit Ihnen allen zusammen Sünder bin, und wenn ich dann bitte: „Herr, erbarme dich!“  … ja, tut er es oder tut er es nicht? Ist das ernst gemeint oder nur so?

Ich glaube, dass wir das Erbarmen Gottes viel ernster nehmen müssen, viel radikaler. Wir müssen davon ausgehen, dass er sein Erbarmen über uns ausbreitet und uns einen neuen Start möglich macht.

 

Oder noch etwas Großartiges: Wenn Sie zur Kommunion gehen, am Heiligen Mahl teilnehmen, Kontakt aufnehmen mit ihm, ihn in der Gestalt von Brot und Wein zu sich hineinnehmen, von ihm zu leben versuchen, ja, dann ist das doch die größere Form der Liebe, die überhaupt möglich ist!

Uns wurde früher aus dem Katechismus gelehrt, dass die Kommunion lässliche Sünden tilgen würde. Das ist eigentlich eine beschämende Formulierung und wird dem überhaupt nicht gerecht, was da passiert. Gott kommt in mich hinein und schüttet den Graben zu, wo er ist. Er schließt die Risse, die in meinem Leben sind. Er bringt mich wieder an den Anfang und lässt mich neu beginnen.

 

Jetzt könnten Sie ja noch nach den Beichtstühlen fragen, die zwar nicht bei uns, aber in manchen Kirchen noch in Gebrauch sind oder als wertvolle Möbel- oder Kunstobjekte an den Seiten stehen. Da muss ich sagen: Diese Wochenendhäuschen eines Pastors oder Kaplans sind eine Erfindung von vor höchstens 400 Jahren. Es gab Jahrhunderte in der Kirche, wo z. T. große Heilige kein einziges Mal in ihrem Leben im Beichtstuhl waren.

Auf der anderen Seite müssen wir aber auch fragen: Was hat diese schöpferische Kirche sich dabei gedacht, als die Beichtstühle erfunden wurden? Ganz einfach: man wollte einen geschützten Raum schaffen, wo ich alles sprechen kann unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Und der, der zuhört, lässt es in sich versinken wie in einem Grab. Aber er kann mir Gottes Vergebung zusagen … ein toller Gedanke!

 

Für viele Menschen war Beichten in der Form heilsam und rettend. Leider wurden auch Abnormitäten bekannt, wo Beichtväter durch ihre Fragen seltsame Interessen und Fantasien entwickelten. Das ist traurig, das ist ganz schlimm, und ich kenne Menschen, die nach einem solchen Erlebnis einen Beichtstuhl nie mehr betreten haben, nie mehr.

 

Im Bußsakrament der „Beichte“ passiert etwas zwischen Gott und mir. Darum geht es … und wenn das stattfindet in meinem Leben, dann ist das Entscheidende passiert. Es ist vielleicht noch mehr die Stunde, wo ein Mensch vor Jesus hintritt und sagt: „Herr, hilf mir, ich brauche dich!“

 

Wie oft sagt Jesus einem Menschen, der bankrott ist: „Deine Schuld ist dir vergeben! Steh auf, du kannst weitergehen!“ Das ist doch eine große Befreiung. Nichts anderes geschieht im Sakrament der Versöhnung, im Beichtgespräch, ohne Geheimniskrämerei, ohne Beichtstuhl.

Nur du und ich. Du bekennst, du hast gesündigt. Und Gott lässt dir durch den Priester sagen: „Fürchte dich nicht! Dir ist vergeben! Friede sei mit dir!“ Da geschieht das ganz Entscheidende zwischen Gott und Mensch!

 

Ich möchte Sie zum Empfang des Sakraments der Versöhnung einladen. Wir Priester stehen Ihnen gern zum Beichtgespräch zur Verfügung. Wir sollten diese großartige Chance bedenken … nicht als Drohung, nicht als Zwang … sondern als Möglichkeit, neu aufzubrechen!

 

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Predigt zum 4. Advent (Evangelium Mt 1,18-24)

© Kaplan Raymond Hamacher

Und so wurde Jesus Christus geboren:

Seine Mutter Maria war mit Josef verlobt. Noch vor der Ehe erwartete Maria - durch den Heiligen Geist- ein Kind.  Josef wollte nach Gottes Geboten handeln, aber auch Maria nicht öffentlich bloßstellen. So überlegte er, die Verlobung stillschweigend aufzulösen.

Noch während er nachdachte, erschien ihm im Traum ein Engel Gottes und sagte: "Josef, du Nachkomme Davids, zögere nicht, Maria zu heiraten! Denn das Kind, das sie erwartet, ist vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn bekommen, den sollst du Jesus nennen. Denn er wird die Menschen seines Volkes von ihren Sünden befreien."

Dies alles geschah, damit sich erfüllte, was der Herr durch seinen Propheten vorhergesagt hatte:

"Eine Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn bekommen. Den wird man Immanuel nennen. Als Josef erwachte, tat er, was ihm der Engel befohlen hatte, und heiratete Maria.

 

Meine lieben Schwestern und Brüder!  Der Josef mal wieder... der spielt doch Weihnachten überhaupt keine Rolle. Und ich bin mir sicher: würde er in der Krippe fehlen, das würde doch keinem auffallen. Wesentlich wichtiger sind doch Ochs und Esel, für die es in allen vier Evangelien überhaupt keinen Hinweis gibt. Josef ist doch nur Statist. Mit dem haben wir doch wenig zu tun. Weit gefehlt. Deshalb ist das Evangelium heute das wichtigste in der Weihnachtszeit. Ohne Josef kein Weihnachten. Ohne Josef wäre Gottes Plan aber gründlich gescheitert.

Glauben Sie bitte nicht, dass die Menschen vor 200 Jahren anders im Denken oder Handeln waren, als wir heutzutage. Bitte versuchen Sie einmal, sich in seine Lage zu versetzen? So hat er sich sein Leben nicht vorgestellt. Die Frau, die er heiraten wollte, ja, ich nehme an, die Frau, die er liebte, war schwanger. Und er wusste genau, von mir kann das Kind nicht sein!  Maria ist offensichtlich fremdgegangen. Sie hat ihn betrogen. Das hätte er ihr nicht zugetraut. Mit ihr zusammen bleiben, das konnte er sich nicht vorstellen. Andererseits, sie öffentlich anprangern, das hätte nach damaliger Sitte Verstoß aus der Familie und Steinigung bedeutet. Das wollte er ihr nun doch nicht antun. Der Gehörnte will mit Sack und Pack abhauen. Soll Sie doch sehen, wo sie bleibt. Sollen die anderen doch denken, ich habe sie geschwängert und mich dann aus dem Staub gemacht. So denken die Leute schlecht über mich und lassen Maria in Ruhe.
Wohin der denn wollte, ist nicht bekannt, nur eines war klar: so nicht! Nicht mit mir. Maria hat mich betrogen. Mit der kann und will ich nicht leben.


Hätte Josef so gehandelt, würden wir heute das Baby von Bethlehem nicht feiern und Gottes Plan wäre geplatzt!

Fliehen kann man: Vor Enttäuschungen, vor unangenehmen Fragen und auch vor der Verantwortung. Erst recht, wenn man keine Verantwortung hat. Auch Josef kann vor allem fliehen, aber mit einem hat er nicht gerechnet: Mit GOTT, von dem das Kind wirklich ist. Und der meldet sich in der Nacht zu Wort.
„Keine Angst, Josef! Du brauchst dich nicht zu fürchten, deine Frau zu heiraten. Sie ist nicht so eine, wie du denkst. Das Kind kommt von Gott. Also lauf nicht weg.“

 

Zur Jungfrauengeburt, gibt es zahllose theologische Abhandlungen und viel Spott, aber ist die Jungfrauengeburt hier wirklich das Wesentliche? Ist nicht jede Zeugung und ist nicht jede Entwicklung von Leben vom Geist Gottes durchwirkt? Ist nicht jedes Kind ein Geschenk Gottes?
Lasst uns nicht über die Jungfrauengeburt streiten. Dass ist hier sicherlich nicht die theologische Kernaussage. Mit der Jungfrauengeburt sprengt Gott den üblichen Rahmen nicht. Jungfrauengeburten gibt es auch im Alten Testament und sie sind in der Bibel nicht das Besondere.
Das Josef bleibt und den Auftrag Gottes erfüllt und eben nicht wegläuft, das sprengt den Rahmen.

Wir können vor Gott nicht mehr weglaufen, Gott holt uns ein! „Gott sei Dank!“ Josef hat das als erster erfahren. Er ist aufgewacht und hat Maria geheiratet.
Viele Menschen haben seitdem aus dem Schicksal des Josef gelernt. Viele aber auch nicht.

Seit es uns Menschen gibt, versuchen wir, vor Gott abzuhauen. Gott hat uns geschaffen, um mit uns zusammen zu leben. Er will eine Beziehung zu uns haben. Er will uns sagen, wie unser Leben am besten gelingen kann. Unser Problem ist es aber, dass wir uns von niemandem etwas sagen lassen. Wir wollen lieber selber entscheiden, was gut und richtig für unser Leben ist. Und darum ertragen wir es nicht, dass uns jemand anders sagt, was gut und schlecht sein kann.

Wir fangen an, unsere eigenen Maßstäbe zu setzen, wie wir leben wollen und wie andere leben sollen. Wenn das mal nicht zusammenpasst, dann gewinnt eben der Stärkere. Das sehen wir im Großen jeden Tag im Fernsehen und im Kleinen sehen wir es in unseren Haushalten und Familien. Auch heute! Auch bei uns!

Aber die gute Botschaft von Weihnachten lautet: Wir können vor Gott nicht mehr fliehen. Gott ist uns nachgelaufen.
So, wie er Josef im Traum begegnet und ihn von seinen Fluchtplänen abbringt, so läuft er uns hinterher … und holt uns ein. Viel mehr noch als mit einem Engel im Traum. Viel mehr noch als mit einem Stern.
Gott selber wird einer von uns. Gott selber wird Mensch in Jesus! Er erträgt es nicht mehr, dass wir Menschen ohne ihn leben wollen, darum kommt er selber und lebt mit uns.
Er erträgt es nicht mehr, dass wir Menschen dem Tod verfallen sind; darum stirbt er am Ende selber, damit wir ein Leben für und in der Ewigkeit haben.

Gott will einen neuen Anfang mit uns machen.

In seinem Sohn Jesus Christus reicht er mir, reicht er Ihnen heute Abend die Hand und sagt: „Lauf nicht mehr weg vor mir. Fang neu an, mit mir zu leben. Ich will dein Leben in Ordnung bringen. Gib mir eine Chance, besonders dann, wenn du denkst nichts geht mehr. Besonders dann, wenn du keine Hoffnung mehr hast, besonders dann, wenn Traurigkeit dein Leben beherrscht, besonders dann, wenn du glaubst, alleine zu sein.“

Dieser Einladung Gottes zu folgen, ist nur ein Gebet oder ein Lied weit weg.

Bei Gott gibt es nicht nur Heilige, nicht nur einen Hl. Josef, nicht nur eine Hl. Maria.

Wir können nicht vor Gott davon laufen. Viele Christen laufen auch heute, besonders in den letzten Wochen und Monaten, von der Kirche und vor Gott weg, weil die Medien ihnen glaubhaft machen wollen, dass die katholische Kirche (und dies ist unabhängig von der Vorsilbe, also, egal ob römisch, altkatholisch oder altheiligkatholisch) also diese Kirche Christi nur aus pädophilen und prunk- und protzsüchtigen Priestern und Bischöfen besteht. Nein, meine lieben Schwestern und Brüder, in der Kirche Jesu Christi ist Platz für Heilige und Sünder. Ich bin mit Sicherheit kein Heiliger, dass kann meine Familie und das können meine Freunde bestätigen. Ich bin ein Sünder und habe ebenso Platz in der katholischen Kirche. Jeder ist in der Kirche Jesu Christi willkommen.

Wir befinden uns, wie eben gesagt, immer im Advent, wir erwarten immer die erneute Ankunft Jesu. Bleiben Sie gespannt und neugierig und leben wir unser Leben so, dass wir bei seiner Ankunft nicht mehr weglaufen müssen, sondern dass wir uns ihm stellen können.

Legen wir unser  Leben zum Kind in der Krippe. Das Baby von Bethlehem ist für jeden Neuanfang gut.
Und Sie selbst sollten sich einen neuen Anfang wert sein … dann werden es in drei Tagen wirklich und tatsächlich „Frohe und gesegnete Weihnachten“.

Ich wünsche sie uns allen.
Amen.

 

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Predigt zum 2. Advent (Evangelium Matthäus 3:1-15)

© Pastor Manfred Amon

Johannes der Täufer, eine imponierende Gestalt, hochexplosiv, ein Mann mit Feuer in seinen Worten und in dem was er tut. Dieser Mann, den der Glutwind Gottes angeblasen hat, der tritt hinein in eine etablierte Gesellschaft. Er schreit ihnen entgegen: „Pocht nicht auf euren Taufschein! Gott selbst ist größer als euer Glaube, ihr müsst euch radikal umkrempeln lassen, um für die neue Welt reif zu werden!“

Johannes steht da und die Menschen sind fasziniert von ihm. Sie strömen auf ihn zu, ganz Jerusalem kommt. Man muss diesen Johannes einfach gehört haben. Viele packt es und sie lassen sich eintauchen in den Jordan. Und das soll ihr Leben verändern.

Das ist die Bewegung, sich klein zu machen und sich zu bücken unter das Wort des Propheten,

den Gott selbst gesandt hat. Dieser Mensch, der in die Wüste eine Bresche schlagen will,

in die Wüste unserer Zeit, damit Gott zum Zug kommen kann. Und dieser Gott, der sich da ankündigt, scheint zunächst ein niederschmetternder Gott zu sein, einer, der zermalmt, einer, der wie eine Dampfwalze über das Bewusstsein der Menschen hinwegfährt und zum Richter wird. Da ist von der Axt die Rede und von der Schaufel. Da ist vom Feuer die Rede, sagt dieser feurige Johannes. Und alle zittern und kriegen eine Gänsehaut und sagen: Ja, wenn das so ist, wer kann dann noch gerettet werden? Und er trifft hinein in das Denken der Menschen. Er ruft sie mark- und beinerschütternd zur Besinnung.

Wir könnten so markerschütternden Prediger auch brauchen, die uns fragen: „Was ist hinter der Maske deines Christseins? Bis du wirklich einer, in dem sich die neue Welt durchsetzt oder blockst du ab? Bist du ein Stück der Wüste dieser Zeit? Bist du ein Stück Beton, durch das Gott nicht hindurchkommt? Oder hat er die Bresche irgendwo in dir gefunden… damit sich in dir etwas anbahnen kann? Oder hast du die Rollläden hinuntergelassen?“ Es ist eine radikale Frage, die da auf uns herunterprasselt. Wenn das Evangelium so weiterginge, wäre nicht auszuhalten.

Aber dann kommt die Überraschung, ein Schock. Denn da auf einmal kommt dieser, den Johannes ankündigt: „Ich habe nur Wasser, ich koche nur mit Wasser, aber da kommt einer, der kocht mit Feuer und Heiligem Geist. Er wird euch verändern, er hält die Schaufel schon in der Hand. Er hat schon die Axt an die Wurzel gelegt.“

Wenn wir uns den vorstellen, müsste der noch radikaler sein, noch bombastischer, noch brutaler rangehen. Aber da kommt einer inkognito, einfach zwischen den Leuten. Dann passiert etwas, was diesen Johannes total überfordert. Dieser Jesus reiht sich ein in die Schlange der Menschen. Er ist sozusagen auf einmal der Sünder Nummer 357.

Wir kennen die Szene, wie Johannes plötzlich erschrickt: „Ich kann dich doch nicht taufen, du müsstest mich taufen.“ Johannes muss wohl aus allen Wolken gefallen sein. Der da kommen soll mit Pauken und Trompeten, mit Feuer und Schwert, der mischt sich unter die Sünder und lässt sich taufen. Alles, was vorher erwartet worden war, ist auf den Kopf gestellt. Das ganze Bild von Gott ist verändert. Er will die Welt verändern, und er verändert auch die Sünder. Denn die Sünder sind plötzlich nicht mehr ganz unten … sondern Gott ist noch tiefer, es ist einfach nicht zu fassen.

Johannes sagt: „Er muss zum Zug kommen, er muss wachsen. Ich aber muss ganz klein werden, ich muss abnehmen.“ Johannes steht an einer Schwelle, er sieht das Neue vor sich. Über die Schwelle geht ein anderer, Johannes bleibt zurück.

Dieser Jesus kommt auf eine völlig unkonventionelle Weise, die alles über den Haufen wirft, die für uns eine Zumutung wird, weil wir merken, dass wir das selbst kaum können. Denn wo bleibt bei uns dieser eine Schritt, dass wir uns unter die Sünder mischen, auf die Seite des Ärmsten stellen, dass wir von unseren großen Programmen etwas ablassen? Zu wem sagen wir: „He, du, ich stehe neben dir, und ich reihe mich ein in diese Prozession… und komm, wir gehen weiter!“? Jesus tut das … und er tut es auf eine atemberaubende Weise, dass er völlig neue Maßstäbe setzt. Der Schritt ist klar.  Darin wird die ganze Ohnmacht des Menschen sichtbar.

Wie schwer fällt es uns! Leichter fällt uns, zum Beispiel eine große Spende zu machen, das Vaterunser zu beten, Weihnachtsvorbereitungen zu treffen. Aber diesen Schritt zum Nächsten, zum Letzten, irgendwo, diesen Schritt tut Jesus … und er schockt Johannes. Er muss uns auch schocken, muss uns radikal herausfordern. Er stellt damit alles infrage, was wir Menschen planen können. Jesus tut den Schritt, wo er sich niedriger macht als die, die sie alle für Sünder halten.

 

Eine andere Szene fällt mir gerade ein: Jesus ist eingeladen bei einem Pharisäer, Abendessen beim Kirchensteuerzahler. Da kommt die Sünderin, Jesus stellt wieder alles auf den Kopf. Aber das ist der Maßstab, die Frage nach dem Menschen, den wir absolut abschreiben auf unsere Brüderlichkeit und der uns geradezu herausfordert dazu. Wenn wir da klarkommen, nur dann wird die neue Welt ausbrechen, das Reich Gottes. Es muss anfangen … hier und jetzt … und mitten unter uns.

Ich muss gestehen, manchmal fällt es mir ziemlich schwer, gerade in unseren christlichen Kirchen, in unserem Christentum von Brüderlichkeit zu reden, weil ich einfach weiß, dass das ja alles nicht stimmt, dass zum Teil alles gelogen ist, nicht gedeckt durch Denken und Handeln vieler Kirchenoberen, auch nicht gedeckt ist durch das Leben mancher an der Basis, dass so vieles stirbt unter kleinsten Kleinigkeiten in unserer Kleinkariertheit und Enge und wir uns fragen müssen „Haben wir denn nichts anderes zu tun?“ §

 

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Predigt zu zur Priesterweihe am 21.09.2013

© Pastor Manfred Amon, Bischofsvikar der Alt-Heilig-Katholischen Kirche

Als Geschenk habt ihr alles bekommen, als Geschenk sollt ihr es weitergeben. (Mat 10:8) Wir sind heute gerade dabei.

Lieber Herr Erzbischof, liebe Mitbrüder, liebe Schwestern und Brüder, vor allem lieber Karl Heinz,

wir alle freuen uns, dass unser Erzbischof wieder bei uns und mit uns ist.

Als Pastor dieser Gemeinde freue ich mich besonders, dass so viele zur Priesterweihe gekommen sind

und unser Haus gefüllt ist.

 

Heute spürt man das, was man unter Kirche verstehen soll. Wir alle sind Kirche, eine breite Gemeinschaft von Christen, eine große Familie. Und wir als Kirche sind angesprochen mit diesem Gleichnis, wo es so viel Arbeit gibt. Und wen Jesus mit den Arbeitern meint, das sind die, die sich ganz radikal festlegen auf diesen Weg Jesu.

Das Menschliche daran ist, dass man berufene Menschen des totalen Einsatzes nicht von der Stange

und nicht aus dem Automaten haben kann. Auch kein Bischof kann sie herbeizaubern.

Diese Entscheidung findet ja im Herzen eines ganz konkreten, lebendigen Menschen statt und da kann man nichts erzwingen. Es muss aus innerer Berufung kommen, wo einer Ja sagt.

Wir erleben das in dieser Stunde wieder.

Die Weihen von Raymond Hamacher letztes Jahr und von Karl Heinz Hüsgen heute zeigen uns, dass die Sache Jesu nach wie vor aktuell ist, dass Kirche kein ausverkaufter Laden ist.

Das sage ich, nicht weil ich heute hier stehe und so reden muss.

 

Jesus sagt: „Es gibt wenig Arbeiter“, aber er sagt auch: „Die Ernte ist groß.“ Und das allerdings glaube ich: Die Sache Jesu braucht Begeisterte. Könnte es nicht sein, dass wir jetzt und hier eine Stunde erleben, die fruchtbar werden könnte für etwas Neues, für einen Aufbruch, für eine Chance?

Warum sollte diese Stunde nicht die Stunde Gottes sein?

Ich erinnere mich an manche Begegnung, wo einer mit verbissenem Gesicht reagierte, wenn ich sagte, dass ich von der Firma Kirche sei. Noch kürzlich sagte einer, dass er schon mitmachen will, damit sich diese Welt zum Besseren verändert. Aber, dann schränkte er schon ein: Er wisse nicht, wo er anpacken soll. Das sei alles so lähmend, schon der erste Anlauf sei unklar, dann die Misserfolge, die Pleiten, die man erlebt. Man sei sofort der Dumme. Und dann ist die Resignation nicht mehr weit.

 

Liebe Schwestern und Brüder, wenn dies eine Stunde Gottes ist, dann ist die Bombe schon gesetzt.

Dann muss es eine Stunde des Aufbrechens sein.

Mir scheint vieles darauf hinzuweisen, dass wir im Aufbruch leben, gerade wo so manches Kartenhaus zusammenbricht, das wir dogmatisch oder in Gewohnheiten gebaut haben.

Da bricht manches zusammen und der große Straßenkehrer Gott, die Müllabfuhr seiner Geschichte, fegt darüber hinweg. Aber anschließend ist es uns wohler, weil dann deutlich wird, wie wir dastehen, wie arm wir sind in unserem Glauben. Deutlich wird auch, wie groß das Feld unserer Möglichkeiten wäre, diese Welt als seine Welt neu anzupacken und zu gestalten.

Hören Sie: Wenn die Ernte groß ist und wir sie nicht einfahren, dann fällt diese Ernte anderen in den Schoß, anderen Ideologien und Meinungen, politischen und wirtschaftlichen und geistigen.

 

Du, Karl Heinz, hast es schon lange erkannt: „Ja, es lohnt sich in diesem Saftladen Kirche. Es lohnt sich mit dieser Firma, die pleite zu sein scheint. Du hast es erlebt, diesen Ansatz vor Jahren, dass du von einer Gemeinschaft von Leuten getragen wurdest. Da sind dir Menschen begegnet, die dich inspiriert haben, ganz einfache Christen, auch Priester, die dich überzeugt haben, die dir Mut gemacht haben weiterzugehen. Und dann hast du nach etlichem Hin und Her gemerkt: „Ja, es geht, es geht trotz vieler Fehlanzeigen und vieler Pleiten. Es geht, diesen Weg kann und will ich gehen.“ Und du bist diesen Weg, deinen Weg gegangen.

 

Die Welt hat vielleicht noch nie einen solchen Hunger gehabt nach einer veränderten, nach einer neuen Welt. Die Welt ist noch nie so zusammengerückt. Die Welt war noch nie an der Schwelle zu einer geschwisterlichen Welt, aber auch noch nie so nahe an einer Selbstzerstörung, wenn Egoismus stärker ist als Hinwendung zum anderen.

Alles, womit wir täglich konfrontiert werden und zu tun haben, scheint wichtiger zu sein, scheint mehr Wert zu sein als der Glaube an den lebendigen Gott, dem diese Welt gehört.

Da ruft Gott hinein in das Leben konkreter Menschen und fordert die Entscheidung. Er sagt: „Du und kein anderer.“ Du, Karl Heinz, bist spätestens seit deiner Weihe zum Diakon im vergangenen Jahr offizieller Diener Jesu Christi. Mit der Weihe zum Priester heute wirst noch mehr in seinen Dienst gestellt.

Christus ist der Herr, nicht nur unser Bruder, wie oft einseitig gesagt wird.

Souverän wählt und beruft er seine Jünger. Und er hat auch dich, Karl Heinz, berufen. Priester sein kann man nicht von der Gesellschaft her, auch nicht nur von der Kirche her, sondern letztlich nur von Jesus Christus her und mit ihm. Nur, wer von ihm berufen wurde, wer mit ihm lebt und bleibt, kann dieses Dienstamt ausfüllen.

 

Auf deiner Einladungskarte für die heutige Feierstunde hast du ein Bild von den Emmausjüngern ausgewählt. Das war eine gute Wahl.

Ich empfinde das Leben eines Priesters manchmal wie ein Unterwegssein der Emmausjünger mit Jesus.

Du wirst sehen, dir wird es ähnlich ergehen wie mir und uns, deinen Mitbrüdern.

Du wirst Situationen erleben, wo es scheint, als wärest du allein. Aber dann wirst du spüren, dass der Herr doch da ist, dass er zu dir spricht und durch dich spricht und dir das Brot bricht und durch dich das Brot bricht für die anderen. Der Herr lässt dich zu einem Propheten der Hoffnung werden, der Hoffnung, dass hinter allem Absurden, allem Unsinnigen des Lebens ein Sinn waltet, dass hinter allem Dunkel ein neuer Morgen aufdämmert.

Du wirst für die Menschen zur Hoffnung werden, dass Gott ein klassenloses, schrankenloses und friedliches Miteinander der Menschen als Ziel der Welt bestimmt hat.

 

Es ist meine, unsere und auch deine Hoffnung, dass alle Ungereimtheiten und trennende Unterschiede der christlichen Kirchen vom Geist Gottes überwunden werden.

Wie in deiner Zeit als Diakon wirst du auch als Priester vor allem Seelsorger sein, auf den ganzen Menschen bezogen bleiben. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren, Frauen und Männer, Verheiratete und Einsame, Kranke und Gesunde, Notleidende und Zufriedene, Traurige und Fröhliche, Streitende und Liebende, alle werden dir anvertraut.

Und du musst nicht nur reden, sondern auch zuhören, andere Meinungen gelten lassen können,

vermitteln, ausgleichen, zusammenführen. Das alles ist nicht immer leicht.

 

Vielleicht, lieber Karl Heinz, ist es zu schwer, alles allein zu schleppen. Darum müssen wir fest zusammenstehen, du und unsere Gemeinde, Kirche Jesu Christi. Wir wollen und werden eine Gemeinschaft echter Christen sein, die alle aus der gleichen Hoffnung leben wie du.

Unser Bischof macht mit, da brauche ich nicht zu fragen. Wir Priester und die ganze Gemeinde, wir machen mit. Wir werden eine Gemeinschaft sein, wo man sich gegenseitig hilft und stützt, wenn mal einer mutlos und verzweifelt wird, eine Gemeinschaft, die den uns anvertrauten Menschen Heimat und Vertrauen ins Leben gibt.

 

So sei Gottes Segen mit dir als neuer Priester zum Wohl der Menschen in unserer Gemeinde und der Kirche in der Nachfolge unseres Herrn Jesus Christus. Dabei mögen dich die Worte des Heiligen Paulus, des Patrons unserer Gemeinde, begleiten, Worte, die wir in der Lesung hörten:

Du aber bewahre einen klaren Kopf und erfülle deinen Dienst mit ganzer Hingabe (2.Tim 4:5).

 

Gott müsste uns allen im Grunde die Augen öffnen dafür, dass er in dieser Zeit mächtig ist und dass die Ernte groß ist. Wenn wir aus der Perspektive Jesu unsere Zeit überdenken, müsste uns alle dieser Aufbruch erfassen. Da gibt es nur ein Ja oder Nein, kein Wenn und Aber.

Entweder wir verpassen den fahrenden Zug, oder wir stellen uns mit hinein in die große Menge derer,

die ihm nachfolgen, und fragen uns einmal, wie wir denn eigentlich reden von seinem Reich, ob in uns der Funke überspringt oder in uns dieses Ja stattfindet wie damals, nur eben hier und heute,

damit diese Kirche ein lebendiger Haufen wird. Das wünsche ich uns. §

 

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Fürchte dich nicht …

Predigt zu Evangelium Lukas 12:32-34   (19. Sonntag Lesejahr C)

© Pastor Manfred Amon, Bischofsvikar der Alt-Heilig-Katholischen Kirche

In jener Zeit sagte Jesus zu seinen Jüngern: „Hab keine Angst, fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu schenken. Verkauft euren Besitz und gebt das Geld den Armen! Legt euch Geldbeutel zu, die keine Löcher bekommen: Sammelt euch einen Schatz im Himmel, der nie vergeht, an den kein Dieb herankommt und den keine Motte zerfrisst. Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.“

lll

 

Dieses kurze, aber bedeutsame Evangelium, diese Worte, die Jesus da seinen Jüngern und uns heute zuspricht, lassen uns nachdenken über die Situation der Kirche, auch unserer Kirche heute und morgen. Eine kleine Herde, ein kleines Häufchen unbedeutender, einfacher Menschen, das war zunächst das Ergebnis der Bemühungen Jesu.

 

In den drei Jahren seines öffentlichen Auftretens hatte er rastlos um sein Volk geworben, die Menschen eingeladen, die Botschaft vom Reich Gottes zu hören und anzunehmen. Jesus wollte die religiösen und sozialen Schranken abbauen, widergöttliche und soziale Barrieren aus dem Weg räumen.

Als Bedingung für die Gemeinschaft mit Gott forderte er, dass die Menschen sich dem Erbarmen Gottes anvertrauen und die Liebe in der Welt weitergeben. Nur eine kleine Zahl folgte seiner Einladung. Viele waren berufen, aber nur wenige ließen sich auswählen. Alle waren eingeladen, aber nur wenige folgten der Einladung.  Jesus und den Jüngern ist das Scheitern ihrer Bemühungen um die Menschen schmerzlich bewusst geworden.

In diese Situation hinein spricht Jesus dieses Wort des Trostes und der Verheißung: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde!“ Das heißt: Ihr braucht keine Angst und keine Sorge um eure Zukunft zu haben. Gott selbst wird mit euch sein und euch eines Tages eine große Zukunft bereiten, weil ihr treu gewesen seid. Bis dahin allerdings wird das Reich Gottes immer in den Kinderschuhen stecken.

 

Als ich vor einigen Tagen diese Schriftstelle wieder las, habe ich sie als sehr wohltuend empfunden. Haben wir nicht heute, wir in der Kirche unserer Tage, ein solches Trost- und Verheißungswort bitter nötig? Hat nicht uns Christen in dieser liberalen, pluralistischen Gesellschaft tiefe Unruhe und Sorge um christliches Leben und christliche Werte erfasst? Klingen in unserem Denken und Reden nicht vielleicht sogar Missmut und Resignation über die Situation der Kirche?

Da scheint doch vieles ins Wanken gekommen sein. Die großen Kirchen verzeichnen immer mehr Kirchenaustritte. In den Gottesdiensten nimmt die Zahl der Mitfeiernden bei den Sonntagsgottesdiensten spürbar ab.

 

Nun gibt es Stimmen, die sagen: „Die Kirchen müssen sich gesundschrumpfen, die da gehen, waren sowieso keine wertvollen Glieder der Gemeinschaft.“ Wer so sagt, fällt ein Urteil über den Wert einzelner Menschen, ein Urteil ohne Anhörung, Beweisaufnahme oder Verteidigung. Wir würden manche echten und tiefen Anliegen vieler, die den offiziellen Kirchen den Rücken kehren, verkennen. Selbstbesinnung und Kritik muss einen legalen Platz erhalten. Und wir müssen genau hinhören, was der Geist durch diese Menschen den Gemeinden sagt.

 

Sicher ist heute eine große Bewegung im Gange, von einem früheren Nachwuchschristentum zu einem heutigen Christsein der eigenen, bewussten Entscheidung. Zum entschiedenen Glauben gehört, dass man trotz Fehler und Menschlichkeit in den Kirchen seinem Glauben treu bleibt.

Fragen Sie mal die, die der Kirche den Rücken gekehrt haben. Die meisten haben mit Jesus und Glauben keine Probleme. Sie ärgern sich über die Institution, wie manches verkannt wird, wie sie von oben herab diktiert, in Schubladen gesteckt werden. Sie haben Probleme mit dem Bodenpersonal des lieben Gottes und leiden darunter.

 

Es ist klar, dass eine Kirche der barocken Prachtentfaltung, der Kirchenfürsten und Würdenträger nicht Gemeinde Jesu ist. Wenn Jesus das gewollt hätte, dann hätte er sich in seinem Evangelium sehr unklar ausgedrückt. Dort steht eigentlich das Gegenteil. Nicht das Prinzip der Macht und des Herrschens hat Jesus seiner Gemeinde geboten, sondern das der dienenden Liebe mit deutlichem Fingerzeig auf die Randgruppen der Gesellschaft und die Geringsten.

 

Jesus spricht von der „kleinen Herde“. Nicht die großen Zahlen müssen Ziel dieser Gemeinschaft sein, sondern Menschen mit überzeugtem Glauben.

Wir haben zwar den Auftrag Jesu für alle Menschen und Völker, sie einzuladen in Gottes Reich, aber tatsächlich bleibt die Kirche eine kleine Gemeinde bis zum Ende aller Zeiten, wo Gott eine neue Welt bereithält. und die Menschen zur letzten Entscheidung ruft.

So sehr die Kirche Hefe im Teig sein soll und Salz in der Suppe, jedoch werden Teig nicht zur Hefe und Suppe nicht zum Salz. So wird Kirche, je mehr sie ihre Aufgabe richtig ausführt, immer Gemeinde der kleinen Herde sein, Diaspora in der Welt.

 

Wir sollten darüber nicht traurig oder mutlos sein, Jesus wollte eine freie Entscheidung, ein freies Ja zu seiner Botschaft. Daran schieden sich schon zu seiner Zeit die Geister. Hochmut und Stolz, in der Art ‚Wir sind im wahren Christentum’ sind gar nicht angebracht. Wichtig ist die ständige Bereitschaft, offen zu bleiben für die fragenden und suchenden Menschen unserer Tage. Diese kleine Herde in der Diaspora der Welt braucht, um leben zu können, immer wieder die gegenseitige Ermutigung und Bestärkung auf ihrem Weg.

Jeder Christ, auch jeder Priester, braucht den anderen. Die Leitung einer Gemeinde, auch die Leitungen der Kirchen brauchen die Ermutigung durch die Glieder und umgekehrt. Ob große Kirche, ob kleine Gemeinde, ob der einzelne Christ, alle müssen sich füreinander verantwortlich wissen. Nur im Füreinander und Miteinander wird eine gute Zukunft christlicher Kirchen zu finden sein.

 

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Einfach glauben …

Predigt zu Luk. 7.1-10   l   von Kaplan Raymond Hamacher

Nachdem er aber vor dem Volk ausgeredet hatte, ging er gen Kapernaum. Und eines Hauptmanns Knecht lag todkrank, den er wert hielt. Da er aber von Jesu hörte, sandte er die Ältesten der Juden zu ihm und bat ihn, dass er käme und seinen Knecht gesund machte. Da sie aber zu Jesu kamen, baten sie ihn mit Fleiß und sprachen „… Er ist es wert, dass du ihm das erzeigest;  denn er hat unser Volk lieb und die Schule hat er uns erbaut.“
Jesus aber ging mit ihnen hin. Da sie aber nun nicht ferne von dem Hause waren, sandte der Hauptmann Freunde zu ihm und ließ ihm sagen „… Ach HERR, bemühe dich nicht; ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehest;  darum habe ich auch mich selbst nicht würdig geachtet, dass ich zu dir käme; sondern sprich ein Wort, so wird mein Knecht gesund. Denn auch ich bin ein Mensch, der Obrigkeit untertan, und habe Kriegsknechte unter mir und spreche zu einem: Gehe hin! so geht er hin; und zum andern: Komm her! so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das! so tut er's.“
Da aber Jesus das hörte, verwunderte er sich über ihn und wandte sich um und sprach zu dem Volk, das ihm nachfolgte „… Ich sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden!“  Und da die Gesandten wiederum nach Hause kamen, fanden sie den kranken Knecht gesund.

 

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Das müssen wir einfach glauben? Das mit dem Glauben ist gar nicht so einfach! In meiner letzten Predigt war es der ungläubige Thomas, der nur das glaubt, was er sieht;  heute setzt der Evangelist Lukas noch eines drauf.

China  hatte vor etwa hundert Jahren ein völlig anderes Gesundheitssystem. Da bekam ein Arzt ein gebiet zugeteilt, um das er sich zu kümmern hatte. Krankenversicherung gab es nicht, der Arzt bekam das Geld von der Provinz. Aber sein Lohn war nicht abhängig von der Zahl der Kranken, sondern von der Zahl der Gesunden! Das bedeutete: waren alle gesund, bekam er Geld. Für jeden Kranken bekam er Geld abgezogen, weil er in den Augen des Staates bei diesem Patienten wohl schlecht gearbeitet hatte. Das Augenmerk lag nicht, wie heute darauf, dass möglichst viele Menschen krank werden, damit der Rubel rollt, sondern, dass sie erst gar nicht krank werden! Auch war der Arzt natürlich bemüht, ihn möglichst schnell zu kurieren, damit er für diesen wieder Geld bekam. Heute sieht unser Gesundheitssystem - aber auch unsere Einstellung - etwas anders aus. Wir besuchen gerne Kranke, um ihnen Genesungswünsche zu übermitteln, eine kleine Aufmerksamkeit zu schenken, doch sind sie wieder gesund, so scheinen sie uns ja nicht zu brauchen. Zählt bei uns denn Krankheit mehr, als Gesundheit???

Wir sprechen von ansteckenden Krankheiten, das Evangelium spricht von ansteckender Gesundheit. Oder genauer gesagt: von einem Glauben, der so ansteckend ist, dass er gesund machen kann! Das entscheidende an den Sätzen, die wir eben hörten, ist der Glaube des Hauptmannes. Er ist die Voraussetzung dafür, dass er den totkranken Diener gesund macht.  Gleich in der Eucharistiefeier beten wir genau diesen Text des Hauptmanns - sicher vielen bisher gar nicht aufgefallen: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ Lukas, der uns diese Geschichte erzählt, will jedoch nicht nur beschreiben, was damals - also vor 2000 Jahren - so passiert ist, er will vielmehr aufzeigen, was die Leute zu allen Zeiten, also auch heute erleben können.

Im Theologie-Studium hat man uns beigebracht, das Evangelium mindestens 10-mal zu lesen, bevor man sich hinsetzt und darüber schreibt. Was fällt uns am meisten auf, welcher Satz kommt uns am ungewöhnlichsten vor?  Für mich ist die Quintessenz dieser Hauptmann-Geschichte, dass mein Glaube an Gott so ansteckend sein könnte, dass er andere gesund macht.  Das ist ziemlich gewagt, oder nicht? Hat denn die Medizin keine Daseinsberechtigung? Heilt zum Schluss der Mensch sich selbst? Doch Lukas, der im Übrigen selbst Arzt war, meint hier sicherlich keine körperlichen Krankheiten, die geheilt werden müssen.  Wir müssen erst herausfinden, welche Krankheiten denn heute so dringend geheilt werden müssten, was in unserem und im Leben meines Mitmenschen gesund und heil werden sollte.  Ich bin beim Schreiben der heutigen Predigt auf drei heimtückische Krankheiten gestoßen, für die mein Glaube die richtige Medizin sein könnte....

Als erstes der Gedächtnisschwund:

Wenn ich spüre, dass der Andere langsam aus meinem Gedächtnis verschwindet, wenn ich Familienmitglieder oder Freunde nicht mehr besuche, sondern mich nur noch an sie erinnere, wenn sie krank oder vielleicht gestorben sind. Bei meiner letzten Beisetzung sagte ein Trauergast „… Mer süüht sich immer dreimol im Levve: bei dr Dööf, bei dr Huhzick und bei dr Beerdijung.“

Mein Gedächtnisschwund - der meine Gedanken immer mehr um mich selbst anstatt um andere kreisen lässt, wenn meine erste Frage heißt: was bringt es mir, was hab ich davon, was kümmert mich denn, was der macht und wie es ihm geht. Und wenn es stimmt, dass diese Krankheit weit verbreitet ist, dann brauchen wir ein gutes Gegenmittel! Mein Glaube könnte eins sein, denn er fordert mich immer wieder heraus, vom anderen her zu denken, ihn im Auge zu behalten, mit ihm zu lachen und zu weinen, einfach einmal besuchen, ohne Grund, ohne feste Absicht. Oder dazu beitragen, dass er sein Leid besser aushält, mir seine Sorgen anhören und ihn aufmuntern oder sein Glück mit ihm teilen. Es lohnt sich bestimmt, diesen Gedanken für sich selbst noch etwas weiter zu denken ... mein Glaube könnte so ansteckend sein, dass er nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen die Krankheit dieses Gedächtnisschwunds heilt.

Meine zweite Krankheit, auf die ich gestoßen bin, ist die Rückgratverkrümmung:

Wenn ich es nicht schaffe, eine gerade Linie in mein Leben hineinzubringen, wenn ich nicht so recht weiß, woran ich mich halten und aufrichten kann, wenn ich für das, was ich rede und denke, nicht gerade stehen kann, wenn ich nicht Farbe bekenne und für die eintrete, die ungerecht behandelt werden und wenn ich mich durchs Leben schlängele, bloß um nicht anzuecken. Wenn es stimmt, dass diese Krankheit auch weit verbreitet ist, dann brauchen wir wieder ein gutes Gegenmittel: mein Glaube könnte eines sein! Denn mein Glaube kann mir ein Lebensmodell vor Augen führen: Einer, der aufrecht und ehrlich seinen Weg gegangen ist, der den Widerständen nicht ausgewichen ist, der seine Geradlinigkeit bewahrt hat, auch wenn er angeeckt ist: Jesus Christus! Es lohnt sich bestimmt, diesen Gedanken für sich selbst etwas weiter zu denken, denn mein Glaube kann dann so ansteckend sein, dass er nicht nur bei mir, sondern auch beim Anderen die Krankheit der Rückgratverkrümmung heilt. 

Und schließlich habe ich noch eine Krankheit diagnostiziert, die Atemnot:

Wenn ich mich von der Hetze und Hektik des Lebens nicht mehr distanzieren kann, wenn mir die Luft ausgeht, weil ich der Meinung bin, alles selbst machen und überall dabei sein zu müssen, wenn ich keine Zeit mehr für mich und für die, die mir am Herzen liegen, übrig habe und wenn die Atmosphäre in meiner Umgebung so vergiftet und verschmutzt ist, dass es mir den Atem nimmt. Wenn ich also nicht mehr durchatmen kann, weil die Unverschämtheiten des Anderen mir jede Puste nehmen und wenn es stimmt, dass auch diese Krankheit weit verbreitet ist, wenn z. B. auch sie davon betroffen sind, dann brauchen wir auch hier wiederum ein gutes Gegenmittel.

Mein Glaube könnte auch hier eines sein, denn er gibt mir die Hoffnung, dass mir neue Luft und ein langer Atem geschenkt wird, dass ich wieder durchatmen kann, dass Gott mich wieder aufatmen lässt, wo ich selbst keinen Ausweg mehr sehe, dass Gott mir da zur Seite steht, wo meine Kraft nicht mehr ausreicht, dass ich eben nicht in erster Linie an meinen Leistungen gemessen werde, dass ich Mensch sein darf mit Ecken und Kanten, mit Fehlern und auch unglaublich guten Seiten. Es lohnt sich bestimmt, auch diesen Gedanken für sich selbst noch etwas weiter zu denken -  mein Glaube kann so ansteckend sein, dass er bei mir selbst und auch bei anderen diese Atemnot heilt.

Was ist das nur für ein Glaube, in dem ich Gott wie einen Joker aus der Schublade ziehe, wenn ich ihn gerade brauche, wenn ich krank bin, wenn es mir schlecht geht, als schmückendes Beiwerk bei Hochzeiten, Taufen ... dann aber dann bitte wieder weg damit in die Schublade bis ich ihn  wieder herzaubern kann. So ein Gott, liebe Schwestern und Brüder, ist ein Witz, eine Karikatur.

Auf Gott ist Verlass, auch dann wenn ich ihn nicht sehe! Gott hat bei unserer Taufe „JA“ zu uns gesagt und dieses „JA“ gilt IMMER, ein für alle mal. Mein Glaube hält Gott in meiner Nähe, er geht mit mir durch Dick und Dünn, in Krankheit und Gesundheit. Er steht mir bei, wenn niemand mehr bei mir steht, er ist mein Freund, wenn alle mich verlassen haben und ich einsam bin. Er weint mit mir, wenn niemand da ist, der mit mir weint und er freut sich mit mir, wenn niemand diese Freude teilt. Wenn ich diesen Gott auch dann spüre, wenn alles hoffnungslos erscheint, dann heilt mich mein Glaube und dann kann ich auch voller Überzeugung diesen Glauben leben und dann ist auch dieser Glaube ansteckend.  Dann macht er gesund!  Wenn wir uns als Christen fühlen, dann können wir die Not um uns nicht ignorieren. Wenn wir uns als Christens fühlen, dann besuchen wir nicht nur die Kranken, sondern sorgen uns, damit sie erst gar nicht krank werden.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten sich vom Glauben anstecken zu lassen. Wenn wir miteinander Gottesdienst feiern, wie wir hier alle 14 Tage nur eine Std. ‚opfern‘ und uns an Christus ausrichten, an seinem Gottvertrauen und an seinem Engagement für die Menschen. Wenn wir im sozialen Bereich Menschen sehen, die ohne Hilfe nicht leben können, die uns gerne sehen, die ihre Hoffnung auf uns setzen.

Wir haben doch alle nur dieses eine Leben, das so zerbrechlich ist. 

Ihnen fallen sicherlich noch viele Orte ein, wo man mit dem Glauben und mit der Liebe in Berührung kommt oder Heilquellen, die mich gesund erhalten oder an denen ich mich mit Christus ‚infizieren‘ kann – und, je größer die Ansteckungsgefahr, desto gesünder wird das Klima, in dem wir leben!

 

Ich wünsche Ihnen, dass wir Freude daran finden, miteinander zu leben, miteinander zu glauben und Christus in uns wirken und heilen lassen!

 

Und die Liebe Gottes, die größer ist als unser Denken und unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen in Christus Jesus.

AMEN

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Die Sache mit dem ungläubigen Thomas …..

Predigt zu Johannes Joh. 20,19-31  l  von Kaplan Raymond Hamacher

Am Abend aber desselben ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten ein und spricht zu ihnen: Friede sei mit euch! Und als er das gesagt hatte, zeigte er ihnen die Hände und seine Seite. Da wurden die Jünger froh, dass sie den HERRN sahen.
Da sprach Jesus abermals zu ihnen: Friede sei mit euch! Gleichwie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Und da er das gesagt hatte, blies er sie an und spricht zu ihnen: Nehmet hin den Heiligen Geist!  Welchen ihr die Sünden erlasset, denen sind sie erlassen; und welchen ihr sie behaltet, denen sind sie behalten.  

Thomas aber, der Zwölf einer, der da heißt Zwilling, war nicht bei ihnen, da Jesus kam. Da sagten die andern Jünger zu ihm: Wir haben den HERRN gesehen. Er aber sprach zu ihnen „… Es sei denn, dass ich in seinen Händen sehe die Nagelmale und lege meinen Finger in die Nagelmale und lege meine Hand in seine Seite, will ich's nicht glauben.“
Und über acht Tage waren abermals seine Jünger drinnen und Thomas mit ihnen. Kommt Jesus, da die Türen verschlossen waren, und tritt mitten ein und spricht: Friede sei mit euch! Darnach spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und siehe meine Hände, und reiche dein Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein HERR und mein Gott! Spricht Jesus zu ihm „… Dieweil du mich gesehen hast, Thomas, glaubest du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“

 

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„… Wir haben den Herrn gesehen, wir haben mit ihm gesprochen, er war da …“, so oder so ähnlich haben die Jünger versucht, Thomas zu überzeugen. Er aber glaubte nur das, was er gesehen und erlebt hatte:  diesen Prediger, den Messias, von dem sich die Juden so viel versprochen hatten, der die Römer aus dem Heiligen Land verjagen sollte, der nun als Gottes Sohn am Kreuz seinen Tod gefunden hat

 

Tot ist tot … ich denke, er hat seine Freunde angesehen und hat gedacht: Wunschdenken, Phantasie, völliger Quatsch. Wenn ich nicht seine Wundmale sehe, also wenn es nicht der ist, der am Kreuz gehangen hat, dann ist die Erscheinung wertlos. Vielleicht seid ihr einem Hochstapler aufgesessen, vielleicht seid ihr einer Illusion erlegen ... JESUS IST TOT, GOTT IST TOT!

Auch Friedrich Nietzsche vertrat im 19 Jhd. diese atheistische Devise.

 

Mit dem Glauben ist das immer so eine Sache. Ich denke, jeder wird so seine Glaubenszweifel haben, immer mal wieder: Wo befindet sich Gott in dieser  Welt? Schaut man sich in der Welt um, so zweifle ich auf den ersten Blick auch an der Gegenwart Gottes hier in seiner Schöpfung. Hat er uns wirklich allein gelassen? Selig, die glauben und nicht sehen! Ich sehe in dieser Welt viel, was mit meinem Glauben nicht übereinstimmt. Daher fällt mir Glauben manchmal auch wirklich schwer. Die Gedanken ‚kreisen‘ dann schon mal:

·        Wo ist Gott, wenn bei den ganzen Unglücken Menschen ihren Tod finden?

·        Wo ist Gott, wenn Kinder missbraucht und getötet werden?

·        Wenn Kriege angezettelt und Tausende getötet werden?

·        Wenn Atom- und Naturkatastrophe die Erde zerstören?

·        Wenn in Afrika tagtäglich Menschen den Hungertod sterben, während hier

oft mehr weggeworfen als verzehrt wird?

In unserer kleinen Welt kann unser Glauben ins Wanken geraten und wir zweifeln. Wer hat das nicht auch schon erfahren? Warum musste dieser Mensch sterben? Warum bin ich krank? Warum bin ich arbeitslos? Wo war Gott, als ich ... ? Diese Fragen könnten wir sicherlich mühelos fortsetzen.

An die Gegenwart des Auferstandenen zu glauben fällt in Anbetracht dieser Ereignisse doch mehr als nur schwer. Und doch finden wir zum Glück immer wieder Menschen mit unerschütterlichem Glauben, die trotz all dieser Tatsachen von der Gegenwart  Gottes überzeugt sind.

 

Es ist so: Die einen wollen ihm alle Schuld in die Schuhe schieben, die anderen halten ihn für die Feuerwehr, die sofort einsatzbereit zur Stelle sein muss, wenn es brennt. Er muss als Sündenbock her halten, wenn er nicht eingegriffen hat, obwohl man ihn doch inbrünstig darum gebetet hatte.

Doch wann soll dieser Einsatz beginnen? Bereits dann, wenn der Mensch etwas Böses denkt oder plant? Oder erst, wenn er zur Tat schreitet? Aber ist es wirklich Gott, der auf die Anklagebank gehört?  Hebt er das Gewehr und drückt ab? Ist er es, der den Welthandel steuert, in dem die einen im Überfluss ertrinken und die anderen an Unterernährung sterben? Ist es Gott, der zum eigenen Vorteil an der Karriereleiter des andren sägt? Säuft er sich zu Tode und ruiniert damit Familie und Kinder?

 

Wir Menschen sind es doch, die stolz darauf sind, diese Welt eigenverantwortlich zu gestalten. Wir sind es doch, die Politik, Technik und Wissenschaft ‚machen‘ und wir sind es auch, die autonom und unabhängig leben wollen. Warum sind wir eigentlich so verlogen und doppelzüngig? Erfolge verbuchen wir auf unserem Konto, während wir Unrecht, Leid und Tränen Gott anlasten.

Solange es bestens läuft, verzichten wir auf die Ursachenforschung. Wenn das Glück uns lacht, dann sind WIR es gewesen, geht es uns schlecht, machen wir Gott verantwortlich. Gott hat uns gesagt, dass wir unser Leben und unsere Welt zerstören, wenn wir seine Gebote missachten … aber die Menschen haben lediglich darüber gelacht! Gott wird ausgeklammert! Als ‚Verzierung‘ familiärer Feste, bei Taufe und Hochzeit darf er uns dienen, damit alles schön feierlich und sentimental wird und auch als Sündenbock ist er jederzeit gut zu  verwenden.

 

Die Realität ist kaum in Worte zu fassen: wie oft fügen wir Mensch uns untereinander Schaden zu?  Wie viel Leid und Tränen bereiten wir uns, wir Menschen, die nicht lieb sein können, weil wir die Liebe verloren haben?

Und wenn wir davon ausgehen, dass Gott die Liebe ist, dann haben wir Menschen Gott verloren!

 

Da ist ja auch noch die sentimentale Bezeichnung des ‚lieben Gottes‘ in unserem Sprachgebrauch.  Er ist in der gesamten Bibel nicht zu finden!  Gott erschuf uns nach seinem Bilde … und wir? Wir haben uns also Gott nach unserem Bilde erschaffen! Den ‚lieben Gott‘ hat es nie gegeben, wir haben ihn zum Mittel gemacht und dabei übersehen, dass ER die Mitte ist!

Der ‚liebe Gott‘ diente immer zur Kindererziehung, als Polizist „… wenn du nicht brav bist, straft dich der liebe Gott“  oder gerne auch als Lückenbüßer „… der liebe Gott wird schon mit dir sein“.

Ein solcher Gott wäre eine Karikatur, ein schlechter Witz!

Das alles ist nicht Gott, Gott ist kein beliebig einzusetzender ‚Joker‘  - Gott ist HEILIG!

Er ist auch nicht der liebe, sondern der liebende Gott:  Gott ist die Liebe selbst!

 

Er zwingt uns nicht, er hält uns nicht am Gängelband, sondern lässt uns unsere Entscheidungs-freiheit!

 

Gott hat sich nicht von uns abgewandt, sondern der Mensch von Gott. Die Kirchen werden immer leerer und die Anbindung an Gott erfolgt immer nur in Krisensituationen, bei Epidemien, bei Kriegen, bei Naturkatastrophen.

 

Im heutigen Evangelium haben wir jedoch erfahren:  

Christus ist auferstanden, Christus lebt … und das nicht nur dann, wenn wir ihn brauchen. Gott steht uns bei in unserem Leid. Er ist bei uns und kann nicht verstehen, dass ‚seine Geschöpfe‘ so miteinander umgehen und sich gegenseitig Leid zufügen.

Gott hat das Leben geschaffen und will nicht den Tod.

Er leidet MIT UNS, an unserer Seite!

Das ist Gottes Preis, den er zahlt für die Freiheit, die er uns geschenkt hat. Sicherlich hat er damals gesagt: „… hier habt ihr die uneingeschränkte Freiheit, das größte Geschenk, dass ich euch machen kann, aber bitte MACHT DAS BESTE DRAUS. Zerstört meine Welt nicht und liebt jeden Menschen, der euch begegnet!“  

SELIG, DIE GLAUBEN UND NICHT SEHEN!

Wir sehen  Gottes Schöpfung und glauben dennoch nicht!

Eigentlich müssten wir doch blind durch die Welt gehen können, um eben nicht an die Gegenwart Gottes zu zweifeln. Wir glauben doch auch an die Sonne, obwohl wir sie zum Beispiel nachts nicht sehen. Wir sind der tiefen Überzeugung, dass es sie gibt, auch wenn wir sie tagelang nicht sehen. 

Wenn wir eine von Bomben zerstörte Brücke oder Haus sehen, zweifeln wir dann am Architekten? Sehr wahrscheinlich würde niemand die Architekten beschuldigen, eine Ruine gebaut zu haben.  NEIN! Diese Welt, Gottes Architektur, hat einmal gut funktioniert, bevor wir eingegriffen und sie zerstört haben.

 

Sehen wir uns doch die Vollkommenheit eines neugeborenen Menschen an: hier erleben wir Gottes Schöpfung immer wieder aufs Neue. Müssen wir denn die Wundmale Jesu ständig berühren, um zu glauben? Warum reicht uns denn das Wunder, das wir LEBEN nennen, nicht aus?

 

Die meisten Herrscher verlangen von ihren Untertanen, dass sie ihre Treue durch ihre Bereitschaft zeigen, für ihren Herrscher zu sterben. Bei Christus ist es gerade umgekehrt: Er starb aus eigenem, freiem Willen, damit ‚seine Untertanen‘ leben können!

 

Glaube ist nichts, was ich be’greifen‘ kann.  Ich kann und muss ihn im Herzen spüren. Wenn wir tief in uns diese Liebe, also Gottes Gegenwart, spüren, dann können uns auch dunkle Zeiten nicht umwerfen. Dann glauben wir nicht mehr, dann wissen wir:

 

    GOTT LEBT …  und auch WIR WERDEN LEBEN!

    GOTTES LIEBE SEI JEDERZEIT MIT EUCH!

 

AMEN

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… der werfe den ersten Stein

Predigt zu Joh 8, 1-11 l  von Kaplan Raymond Hamacher

Jesus aber ging an den Ölberg. Und frühmorgens kam er wieder in den Tempel und alles Volk kam zu ihm; und er setzte sich und lehrte sie.
Aber die Schriftgelehrten und Pharisäer brachten ein Weib zu ihm, im Ehebruch ergriffen, und stellten sie in die Mitte dar  und sprachen zu ihm „… Meister, dies Weib ist ergriffen auf frischer Tat im Ehebruch. Mose aber hat uns im Gesetz geboten, solche zu steinigen; was sagst du?“  Das sprachen sie aber, ihn zu versuchen, auf dass sie eine Sache wider ihn hätten. Aber Jesus bückte sich nieder und schrieb mit dem Finger auf die Erde.  Als sie nun anhielten, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sprach zu ihnen „… Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie“.  Und bückte sich wieder nieder und schrieb auf die Erde.  Da sie aber das hörten, gingen sie hinaus (von ihrem Gewissen überführt), einer nach dem andern, von den Ältesten bis zu den Geringsten; und Jesus ward gelassen allein und das Weib in der Mitte stehend.
Jesus aber richtete sich auf; und da er niemand sah denn das Weib, sprach er zu ihr „…  Weib, wo sind sie, deine Verkläger? Hat dich niemand verdammt?“  Sie aber sprach „… HERR, niemand“. Jesus aber sprach „… So verdamme ich dich auch nicht; gehe hin und sündige hinfort nicht mehr!“

 

lll

 

Kaplan Hamacher hatte Steine vor den Altar gelegt und vor der Predigt den passenden Stein ausgesucht, der zu einer Steinigung benötigt wird,  nicht zu groß und eben nicht zu klein. Er hielt den Stein die ganze Zeit in der Hand … aber beim letzten Satz seiner Predigt schmiss er ihn demonstrativ vor den Altar … Schweigen in der Kirche …

Hier ist seine Predigt:

Noch heute wird das Todesurteil „Steinigung“ bei “Unzucht” ausgesprochen. Dazu gehören im islamischen und früher eben auch im jüdischen Rechtssystem außerehelicher Geschlechtsverkehr, Ehebruch und Homosexualität. Die Steinigung wird für Frauen und Männer unterschiedlich durchgeführt. Männer werden bis zur Hüfte eingegraben und haben dadurch eher die Möglichkeit zu entkommen. Bereuen sie die Tat, gehen sie frei. Frauen hingegen werden bis zu den Achseln eingegraben, damit ihre Brüste nicht getroffen werden. Sie haben dadurch keine Möglichkeit zur Flucht. Die Steinigung wird öffentlich durchgeführt. Steine mittlerer Größe werden zur Vollstreckung verwendet, nicht zu groß, dass die Person direkt stirbt, sondern es werden Steine mittlerer Größe gewählt, dass das Opfer langsam und somit qualvoll stirbt.
Allein die Vorstellung, liebe Schwestern und Brüder erzeugte in mir eine Gänsehaut. Ich möchte mir das Ganze gar nicht näher bildlich ausmalen. Und diese Szenerie erwartete die Frau im eben gehörten Evangelium und man könnte sich fragen: ja, wo ist denn der Mann…???  Zum Ehebruch gehören schließlich zwei … vielleicht wurde Jesus auch nur eine Falle gestellt, als sie ihm lediglich die Frau präsentierten. Denn Jesus ist wieder einmal in einer Zwickmühle, egal, wie er sich entscheidet: beide Antwortmöglichkeiten sind falsch. Hätte Jesus gesagt: “Dann steinigt die Frau …”, so hätte er die Verfolgung der römische Besatzungsmacht auf sich gezogen, denn die Juden durften die Todesstrafe nicht verhängen und schon gar nicht vollstrecken. Und wenn er – wie es der Barmherzigkeit entsprach, die er doch predigte – dafür gesprochen hätte, die Frau zu schonen, dann hätte er sich gegen das Gesetz Moses gestellt, das die Steinigung einer Ehebrecherin ganz eindeutig verlangte. Auch Jesus stand unter diesem Gesetz!

Was hatten die Pharisäer und Schriftgelehrten erwartet?  Außerdem hatten sie ihn doch nicht umsonst mit Meister, also nicht mit seinem Titel Rabbi oder Lehrer angesprochen. Allein diese Anrede ist sicherlich nicht respektvoll, sondern eher voller Geringschätzung gewesen. Nach dem jüdischen Gesetz hätte er die Frau verdammen müssen! Es gab keine andere Möglichkeit für ihn, als dem Gesetz des Mose entsprechend, also dem für die Juden einzig gültigen Gesetz, zu entscheiden. Sein Urteil musste also lauten: Steinigt sie! Ob ihm durch den Kopf gegangen ist, dass an der Stelle der Frau seine eigene Mutter hätte stehen können, damals, als sie mit ihm schwanger war? Die Steinigung hätte auch Maria gedroht, denn das Kind, also Jesus selbst, war nicht von Josef, ihrem Verlobten.

Die Steine hätten auch ihm im Bauch seiner Mutter gegolten. Maria ist das nur deshalb erspart worden, weil Josef sich zu ihr bekannt hat – nach eindringlicher Mahnung eines Engels. Und nun soll er sich in den Kreis der Steiniger einreihen.

Angenommen, SIE wären an dieser Szene, die ohne Zweifel kein Spiel ist, beteiligt: Wer möchten Sie dann sein? Welche Rolle möchten Sie haben? Überlegen wir einmal, welche Rollen zu vergeben sind:

Da hätten wir als erstes Jesus, der am frühen Morgen auf dem Ölberg betet und mitten in der Predigt an das Volk eine schwierige richterliche Entscheidung treffen muss.

Bei den meisten gibt es eine Scheu davor, Jesus sein zu wollen. Es wäre die Rolle des Sündlosen. Außerdem ist uns allen sein Schicksal bekannt … nein, das ist mir zu hoch, zu anspruchsvoll, und zudem viel zu gefährlich. Jesus wird später für seine Entscheidung bluten müssen. Nein, Jesus wollen wir wohl lieber nicht sein.

Wen haben wir noch?
Die Frau!

Beim Ehebruch erwischt und von einer Gruppe Männer in die Mitte gestellt. Alle starren sie an. Eine Frau, die darauf wartet verurteilt und gesteinigt zu werden. Eine Frau, über die gesprochen wird. Diese Frau ist auf frischer Tat ergriffen worden. Niemand möchte diese Frau sein.

Niemand von uns möchte mit seiner Schuld den anderen ausgeliefert sein. Niemand möchte sich solchen Blicken und blöden Kommentaren aussetzen.

Wen hätten wir noch?
Die Schriftgelehrten und Pharisäer!

Die Gruppe von Männern, die die Frau ergriffen haben und nun Gerechtigkeit verlangen. Die mit Steinen in der Hand um sie herum stehen, bereit, sie bluten zu lassen. Und jemand muss bluten, damit die Ordnung wieder hergestellt ist. Die Selbstgerechten, die Heuchler, die Moralisten, die sich selbst für tadellos und gesetzestreu ansehen. Wer möchte so ein Mensch sein, der andere verurteilt und seine eigene Schuld nicht sieht? – Niemand hier möchte die Rolle der Schriftgelehrten und Pharisäer spielen.

Eine Rolle wäre noch übrig:
Die des Volkes, das herumsitzt und zuschaut. Man hätte keinen Text und auch nichts zu tun. Man würde nur herumsitzen und alles beobachten. Vielleicht könnte man ein paar schlaue Kommentare ablassen über das, was geschieht oder vielleicht Wetten abschließen. Die Rolle des Volkes hätte den großen Vorteil, dass man nicht in der Mitte stünde und angeklagt wäre. Man stände auch nicht hochmütig im Kreis mit Steinen in der Hand. Allerdings wäre man an seinen Sitzplatz gebunden und könnte der Frau nicht zur Hilfe eilen. Hilfeleistungen jeder Art müsste man unterlassen. Nein, auch diese Rolle ist nicht wirklich attraktiv …aber wobei untätig zu sein uns allen gut bekannt vorkommen dürfte. Ich sag’s euch ganz ehrlich: Ich möchte niemand sein müssen in diesem Spiel, das keines ist. Nicht Jesus, das wäre zu gefährlich und zu anmaßend, nicht die Frau, das wäre zu beschämend, nicht die Pharisäer und Schriftgelehrten, wer möchte gerne selbstgerecht sein, und auch nicht das Volk,  denn wer will nur herumsitzen, wenn jemand eigentlich Hilfe braucht?

Nun, das Steinigen haben wir in Mitteleuropa im Laufe unserer Geschichte verbannt.

Nein, wir werfen keine Steine. Es gibt so viele subtilere Arten, jemanden bluten zu lassen, für das, was er getan hat. Jemanden meiden, nur über ihn reden, statt mit ihm. Durch jemanden hindurchsehen, im Regen stehen lassen, ausschließen, bewusst nicht mehr einladen, nur zusehen, wie die andren reagieren, zusehen, wie die anderen sich über Schwächere hermachen und sich belustigen.
Das alles kann zum Stein in unsrer Hand werden, es gibt tausend Arten jemanden bluten zu lassen, um die “gute Ordnung” wieder herzustellen.

Und wie christlich verhalten wir uns denn, wenn wir Unrecht mit ansehen und es somit stillschweigend ertragen und zulassen. Wir haben eben gemeinsam im Schuldbekenntnis gesprochen:

“… wo ich Gutes unterlassen und Böses getan habe …”  es ist natürlich immer leichter, über andere zu urteilen und diese zu VERurteilen nur um von mir selbst abzulenken, damit ich im guten Licht dastehe und ich über jeden Verdacht erhaben bin. Wir sind nicht anders als die Ankläger: meine Sünden, meine Schuld sind doch völlig ok, so lange sich alles auf die anderen konzentriert. So lange ich nicht in die Schusslinie gerate, sollen doch die anderen bluten.

Es ist natürlich leichter, zuzusehen statt einzugreifen.  Jesu Beispiel zu folgen ist sicherlich nicht falsch: er lässt die 5 gerade sein, er handelt eben barmherzig. Dieses Wort klingt für uns heute eher altmodisch, nennen wir es doch einfach christlich! Wenn wir Christen sein wollen, kann es überhaupt keinen anderen Weg geben als den, dass wir den Menschen in unserer Nähe und Ferne unsere Hilfe, unser Mitgefühl, unsere Mitfreude und unsere Liebe nicht nur anbieten, sondern ihnen diese auch schenken. Schenken bedeutet, etwas geben ohne auf eine Gegenleistung zu hoffen  Es ist nicht leicht, hier immer wieder die richtige Entscheidung zu treffen und das Richtige zu sagen und zu tun, damit es dem Anderen wirklich dient.

Jesus hat sich die Zeit gelassen, nachzudenken, während er mit dem Finger auf die Erde geschrieben hat. Dann aber hat er sich zu der bedrängten Frau gestellt und so gesprochen, dass ihr geholfen wurde.

Versuchen wir, nachzudenken und unsere nächsten Worte oder Schritte zu überlegen und abzuwägen. Dann aber müssen wir den Mund aufmachen und so handeln, dass es dem Menschen, der uns braucht, dienlich ist.

Der Talmud sagt:

Achte auf deine Gedanken, denn sie werden deine Worte.
Achte auf deine Worte, denn sie werden deine Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, denn sie werden deine Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter.
Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.

 …  und wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!

AMEN

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Ein Traum von Kirche – Eine Vision voller Hoffnungen

Was würde Jesus heute sagen? Wie würde er handeln? 

Predigt von Pastor Manfred Amon

Papst Benedikt XVI. ist über 85 Jahre alt.  In diesem hohen Alter ist es durchaus verständlich, dass er

vielen alten Traditionen festhalten und sie auch bewahren wollte. Er spürte vermutlich, dass ihm die Kraft fehlt, sich mit notwendigen Reformen noch abzugeben und sich damit auseinanderzusetzen. Die Vermutung liegt nahe, dass er durch seinen Rücktritt von der Leitung der Kirche Platz machen will für einen neuen, jüngeren Papst, der das schafft, was er nicht mehr konnte oder wollte.

 

In diesem Zusammenhang taucht bei vielen Christen, nicht nur bei Katholiken, eine Vision von Kirche auf:  Es ist ein Traum, dass sich einige große, lange gehegte Hoffnungen erfüllen könnten.

 

Möge die katholische Kirche den Mut und den Elan aufbringen und sich endlich durchringen zu tiefgreifenden Reformen im Geiste Jesu.

 

Möge die Kirche in Bescheidenheit und Offenheit, voller Mitgefühl und Verständnis auf alle Menschen zu-gehen, auch auf solche, die anders leben, als es den offiziellen kirchlichen Vorstellungen entspricht.

Wieder verheiratete Geschiedene und gleichgeschlechtliche Partnerschaften warten darauf, als   Christen ihren Platz nicht außerhalb kirchlicher Gemeinschaft, sondern innerhalb der Kirche zu haben.

 

Möge die Kirche die Zeit des strengen römischen Zentralismus endlich hinter sich lassen und sich für demokratische Strukturen vor Ort öffnen.

Die jetzt lebenden Menschen können nicht über Generationen hinweg warten, bis sich die kirchlichen Autoritäten bewegen und sich neuen Erkenntnissen und Bedürfnissen öffnen.

 

Und möglicherweise könnte man in der Kirche auch noch einmal mit Ernst darüber nachdenken, ob die verpflichtende Ehelosigkeit der Priester wirklich dem Evangelium entspricht und noch zeitgemäß ist.

 

Und möglicherweise könnte man auch darüber nachdenken, ob man Frauen mehr Rechte und mehr Verantwortung im kirchlichen Leben übergeben könnte.

 

In der Vision der Hoffnung für die Kirche hat auch Ökumene ihren Platz.

Wie gut täte es uns Christen, wenn die Kirche, wenn alle Kirchen endlich aufhören würden, ihre Unterschiede immer wieder aufwändig herauszustellen.

Wie gut täte es, wenn die Kirchen mit Respekt voreinander und in Bescheidenheit vor Gott miteinander reden würden.

 

Gott allein ist die Wahrheit. Keine Kirche kann sagen, dass sie diese Wahrheit für sich allein besitzt. Was die Kirchen trennt, ist nicht die Wahrheit Gottes, sondern das sind die verschiedenen Erklärungen und Auslegungen zu dieser Wahrheit.

 

Darüber sollten die Kirchen mit-einander reden. Das müsste doch funktionieren. Da müsste auch etwas herauskommen, wenn sie sich gemeinsam auf Jesus Christus und seine Frohe Botschaft zurückbesinnen und fragen:

Was würde Jesus heute sagen?

Was würde Jesus heute tun?

Wie würde Jesus handeln?

 

Dem künftigen Papst können wir wünschen, dass er jenseits aller dogmatischen, kirchenrechtlichen und konfessionellen Grenzen immer wieder fragt:

 

Was würde Jesus heute tun, wie würde er handeln, was würde er sagen?

 

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Mit Netz und doppeltem Boden …

Predigt zu Mark. 1,14-20  l  von Kaplan Raymond Hamacher

Nachdem aber Johannes überantwortet war, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium vom Reich Gottes und sprach „ Die Zeit ist erfüllet, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium.“

Da er aber am Galiläischen Meer ging, sah er Simon und Andreas, seinen Bruder, dass sie ihre Netze ins Meer warfen; denn sie waren Fischer. Und Jesus sprach zu ihnen: Folget mir nach; ich will euch zu Menschenfischern machen!  Alsbald verließen sie ihre Netze und folgten ihm nach.
Und da er von da ein wenig weiterging, sah er Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes, seinen Bruder, dass sie die Netze im Schiff flickten; und alsbald rief er sie. Und sie ließen ihren Vater Zebedäus im Schiff mit den Tagelöhnern und folgten ihm nach.

 

lll

 

Liebe Schwestern und Brüder!

 

Kennen sie das Wort des Jahres 2011?  „Soziales Netz“!  Es soll Sicherheit geben und
niemanden in die Untiefen irgendwelcher Not abstürzen lassen.

Das Wort oder das, was es bedeuten soll, stammt aus der Zirkuswelt. Trapezkünstler turnen über einem Netz, das  sie absichert, sie im Notfall auffängt und so ihr Leben sichert.
Netze waren auch für die ersten Jünger Jesu Sicherheit, Lebensversicherung, Zukunftssicherung.


In ihrem Beruf als Fischer hatten sie eine sichere Zukunft. Am See Genezareth gab es Fische zu genüge, auf dem Markt konnten sie sich behaupten mit ihrem unermüdlichen Fleiß und ihrer jahrelangen Erfahrung und die Tradition, die schon vom Vater her übernommen war, legte ein gutes Fundament für eine sichere Zukunft. Alles war gesichert und bedurfte auch keiner Diskussion oder wurde Infrage gestellt. Alles ging seinen Gang.

 

Und dann kommt Jesus, sie lassen alles liegen und folgen ihm nach. Ich glaube, dies ist eine der Stellen im Evangelium, die uns am stärksten irritiert.  Da kommt ein Fremder, ein Rabbi, und sagt „Lasst alles Stehen und Liegen und folgt mir nach.“

Sie lassen ihre Eltern und ihre gegründeten Familien zurück, vergessen all ihre Pflichten und folgen ihm nach. Sicher, im Leben eines frommen Juden gehörte es zum guten Ton, sich für eine Zeit einem Rabbi, einem Lehrer, anzuschließen, um von ihm zu lernen.

Aber schaut man zwischen die Zeilen, so geben sie all ihre Sicherheiten auf, weil sie spüren, nun muss etwas Neues beginnen. Das Himmelreich ist nahe, die Zeit ist erfüllt! Diese Botschaft trifft sie so sehr ins Herz, dass sie loslassen können.
Da ist keine Trauer darüber, dass die Jugend vorbei ist, die gewohnten Pfade verlassen werden müssen oder eine Veränderung ansteht. Es zeigt für mich deutlich, dass die Jünger im Hier und Jetzt leben und nicht der Vergangenheit nachtrauern. Sie wagen etwas.

Sie sind auch nicht verhaftet in der Überzeugung: "Mein Weg ist der Richtige".

Selbstsicherheit lässt sie nicht verharren, auch Angst vor Risiko, vor einer Lebenskrise haben sie nicht.


Und so machen sie die ersten Schritte mit Jesus, so finden sie hin zu einer neuen Erfüllung ihres Lebens. Der erste Schritt ist getan.

Von außen betrachtet kann man ihr Verhalten kaum verstehen: Sie geben alles auf, ihre Erfahrungen, wonach sie sich bisher richteten, feste Riten, wodurch sie geprägt wurden. Würden sie dabei bleiben, so wäre Nachfolge, Begegnung mit Jesus nicht möglich, ja, dann könnte die Heilszeit in ihrem Leben nicht anbrechen.

Ihre Umkehr ist Umkehr ihrer Werte, ist innere Verwandlung, ist Loslassen dessen, was bislang Sicherheit und Geborgenheit gegeben hat.
In diesem Risiko tut sich dann nach und nach ein neues Gottesbild auf.
Durch ihre Risikobereitschaft finden sie zu einem neuen Selbstbewusstsein.
Durch dieses Wagnis eröffnet sich eine neue Zukunft, von der sie bislang nicht zu hoffen wagten.
Mit den ersten Schritten in eine neue Zukunft erschließt sich ein neuer Lebensinhalt.

Eine neue Lebensphilosophie:

„Kehrt um, glaubt an das Evangelium!“
Das meint:

Falsche und vordergründige Sicherheiten aufgeben und Gott ganz neu sein Leben anvertrauen.

„Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“

Das meint:
Feste Überzeugungen und festgefahrene Gottesbilder zurücklassen und dadurch zu einer persönlichen Beziehung zu Gott zu finden.

„Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“
Das meint:
Verliere dich, damit du dich findest, gib dich auf, damit du ein neuer Mensch wirst – vor dir selbst und vor Gott.


Wer sich darauf einlässt, den eigenen, vielleicht festgefahrenen Weg zu verlassen, in dem beginnt sich das Himmelreich zu entfalten.

Wer Gott mehr zutraut als den gemachten Erfahrungen und gelernten Mustern, der ist befreit und frei für das Reich Gottes.

Ob es die Jona-Geschichte ist, ob es der Ruf Jesu ist, ob es Krisen in unserem Leben sind, die uns herausfordern, an denen wir scheitern oder wachsen können, immer ist es der Ruf zur Umkehr, zum Neuanfang, zum Aufbruch in eine neue Zeit.


Die Netze – sie sind das Symbol für das, was uns bindet und unbeweglich macht.
Sie sind Gleichnis dafür, was wir alles einsammeln und bündeln, horten und umklammern ... sie machen uns deutlich, wie starr und angebunden wir sind, kaum noch lebendig und flexibel. Diese Netze geben alles andere als Sicherheit. Man droht, sich darin zu verheddern und zu verstricken.

Wenn wir loslassen könnten, wie leicht fänden wir zu einer lebendigen und sehr persönlichen Gottesbeziehung. Wie lebendig und bewegt und interessant würde unser Leben, wie ereignisreich würde unser Dasein mit Jesus an der Seite.

Glauben ist ein Wagnis – das gebe ich zu. Glaube ist kein soziales Netz, das uns in Sicherheit wiegt und uns auffängt, bevor wir in tiefe Gräben, ja sogar ins eigene Grab gehen ...

 
Ich muss zum Schluss einige Fragen an Sie – aber auch an mich - richten, deren Beantwortung allein

Ihr und mein Leben verändert:

Wann trifft uns die Botschaft Jesu so sehr ins Herz, dass wir es wagen, uns neu auf Gott einzulassen?

Was muss geschehen, dass wir loslassen und mit Jesus unsern Weg in eine neue Zukunft gehen?

Was muss geschehen, damit wir das Geschenk des Lebens wirklich ernst nehmen und es nutzen?

 

AMEN

 

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Christus kommt

Predigt zum Advent von Kaplan Raymond Hamacher

Liebe Schwestern und Brüder

 

Als ich vor einigen Wochen zu einer Beisetzung unterwegs war hörte ich im Radio Folgendes:

„Und wäre Christus tausendmal
in Bethlehem geboren,
doch nicht in dir,
du wärest ewiglich verloren."

Dieser Satz hat mich tagelang, meist beim Autofahren, wenn ich alleine war, beschäftigt “… du wärest ewiglich verloren!“ Das Ende des Satzes hallte in mir nach.


Gerade jetzt zu Weihnachten bekommt dieser Abschnitt, der übrigens dem Dichter Angelus Silesius zugeschrieben wird, eine aktuelle Bedeutung - passend zum heutigen Evangelium:  Maria zögert nicht, Jesus in sich aufzunehmen und den Gottessohn zur Welt zu bringen. Das war vor etwa 2000 Jahren in Nazareth.  Judäa  versinkt im Chaos, von den Römern besetzt und von einer Marionette namens Herodes, der Große, dessen Souveränität eingeschränkt war, regiert.  Die Zeloten, eine jüdische Widerstandesbewegung, versuchten, mehr erfolglos, sich Gehör zu verschaffen und Rom in die Knie zu zwingen. Genau zu  dieser Zeit wurde Jesus geboren, um die Welt zu erlösen, so unsere christliche Vorstellung.  Die Welt schien verloren. Alles versinkt im Chaos.  Und oft genug versinken auch wir immer wieder im Chaos, verlieren den Überblick, sind selbst Marionetten und rebellieren gegen dieses und jenes und verlieren diesen Kampf. Wie oft wenden wir uns dann an eine göttliche Macht, die außerhalb dieser Notsituation oft geleugnet wird. 

„Und wäre Christus tausendmal
in Bethlehem geboren,
doch nicht in dir,
du wärest ewiglich verloren.“

Ist damit gemeint: Christus IN mir entstehen zu lassen?  Wird Jesus von Nazareth in mir geboren, damit ich meine eigentliche Bestimmung erfahre?  Damit ich meinen individuellen Weg gehen kann?

Bei Silesius heißt es weiter:

„Halt an, wo läufst du hin?

Der Himmel ist in dir!
Suchst du Gott anderswo,

du fehlst ihn für und für.

Beginnt der Himmel in uns?

In einer jüdischen Geschichte träumt Rabbi Eisik, er müsse nach Prag zur Karlsbrücke an der Stadtseite gehen. Dort würde er einen großen Schatz finden. Eisik schiebt den Traum beiseite, aber immer wieder kommt dieser im Schlaf zurück. Schließlich überredet ihn seine Frau, doch zu gehen, schaden könne es ja nicht.

In Prag angekommen begibt er sich zur Brücke. Die aber ist schwer bewacht, an Grabungen nach dem Schatz ist keinesfalls zu denken. Ein paar Tage streicht Rabbi Eisik in der Nähe der Brücke umher. Schließlich fällt er dem Hauptmann der Wache auf. Der fragt ihn, was er denn immer hier wolle. Der Rabbi erzählt von seinem Traum, und der Hauptmann grinst immer breiter "Einen Schatz? Hier? Dass ich nicht lache! Wenn ich meinen Träumen folgen würde, dann hätte ich schön längst in ein kleines Dorf gehen und bei einem Rabbi Eisik unter dem Ofen graben müssen und dort einen längst vergessenen Schatz heben! Das träume ich seit Tagen, aber ich bin doch nicht so verrückt, wegen eines Traumes loszugehen!"

 

Der Rabbi bedankt sich höflich, kehrt schnellstmöglich heim und gräbt den Schatz aus. Von ihm können er und seine Frau leben, den Kindern viel vererben und sogar ein Bethaus bauen.

 

Die Suche nach dem Schatz  unseres Lebens führt uns früher oder später zurück ins eigene Haus. Das, was mich letztlich trägt und beflügelt im Leben, finde ich nicht außerhalb von mir selbst. Ich muss hinabsteigen in meine eigene Wirklichkeit. Es braucht ganz schön Mut, sich mit sich selber auseinander zu setzen. Manchmal erschrecke ich über mich selber… über die Wut und Aggression, die sich da aufgestaut hat, über meine Trägheit und Feigheit,  über meine Neigung, Negatives zu vertuschen und mich selber möglichst im positiven Licht dazustellen…

„Und wäre Christus tausendmal
in Bethlehem geboren,
doch nicht in dir,
du wärest ewiglich verloren."

Wenn Jesus eine Vorliebe hat, in stinkenden Ställen zur Welt zu kommen, wo viel Mist vorhanden ist, es kratzig und stachelig durch das Stroh ist, zum Teil auch nicht weniger unwirtlich, dann muss ich zugeben, dass mein Innerstes wahrscheinlich ein besserer Platz für ihn darstellt.

Aber ich stoße nicht nur auf Düsteres und Abgründiges,  ich entdecke auch Schönes und Hoffnungsvolles, ich spüre wo mein Herz schlägt und für was ich mich begeistern kann, wo ich helfen kann und mich freue, wenn ich mit lieben Freunden zusammen sein kann. Nicht umsonst sind wir zur Weihnachtszeit eher bereit, unser Herz zu öffnen, zu spenden und etwas von dem abzugeben, wovon wir reichlich besitzen. Ich versuche dieser Spur zu folgen.

 

Mutter Teresa meint hierzu:

o   Die Leute sind unvernünftig, unlogisch und selbstbezogen,
liebe sie trotzdem.

o   Wenn du Gutes tust, werden sie dir egoistische Motive und Hintergedanken vorwerden,
tue trotzdem Gutes.

 

Gerade zu Weihnachten spüren wir eine besondere Stimmung in uns … woher kommt das?

Einige Leute behaupten, Weihnachten müsste eigentlich längst abgeschafft sein. Psychologisch gesehen weckt Weihnachten unsere tiefsten Sehnsüchte: Es ist die Sehnsucht nach einer spirituellen Dimension, die Sehnsucht, fröhlich zu sein - oder etwas banaler gesagt - es ist die Sehnsucht nach Glück. Gerade in den Weihnachtsliedern, die die meisten von uns noch irgendwie kennen, wird die Sehnsucht nach dieser Freude geweckt. Für viele bedeutet Weihnachten aber auch Stress, Einsamkeit oder spannungsgeladene Familientreffen! Und trotzdem feiern die meisten dieses Fest und machen alles mit.

Wäre Weihnachten einfach irgendein Anlass ohne tiefere Bedeutung, würden wir das Fest vielleicht längst nicht mehr feiern. Ich glaube aber, der Mensch spürt gerade an Weihnachten die  Sehnsucht nach dieser spirituellen Dimension, die dem Leben Sinn gibt.

Die Kirchenbesuche gehen ja zurück, aber die Sehnsucht nach Transzendenz ist nach wie vor stark. Bei Umfragen geben etwa 80 Prozent aller Europäer an, sie würden an Gott glauben, nur 20 Prozent gehen hingegen in die Kirche. Und da fragen sich die einen oder anderen: Ist Weihnachten doch mehr als Glitter und Geschenke und könnte es vielleicht doch wahr sein, was man da eigentlich feiert?

An keinem anderen Tag wie Heilig Abend werden statistisch so viele Suizidversuche gestartet, keine Telefonnummer sooft gewählt, wie die der Telefonseelsorge.

Gerade der Heilige Abend ist emotional „hoch aufgeladen“. In jedem Menschen wird da die Sehnsucht nach Liebe, Geborgenheit und Beheimatung wach gerufen. Einsam sind nicht nur alleine lebende Menschen, sondern durchaus auch Menschen, die in einer Partnerschaft oder Familie leben. Dort, wo eben diese Liebe und Geborgenheit fehlt oder nicht erfahrbar ist, wird das Gefühl des Verlassen seins  oder der inneren Leere besonders schmerzlich spürbar.

Einsam oder traurig sind zu Weihnachten auch jene Menschen, die einen lieben Angehörigen verloren haben oder wo eine Trennung vom Lebenspartner oder die Ablösung von einem Kind erfolgt ist. Oft werden große Wünsche und Idealvorstellungen in dieses Fest gelegt, wie es idealerweise verlaufen sollte. Nicht selten wird im Vorfeld viel Aufwand betrieben, damit alles passt. Und das verursacht meist wiederum Stress.
Wenn es dann nicht wunschgemäß verläuft und es zu Spannungen oder Konflikten kommt, explodiert häufig dieses „emotionale Pulverfass“.

Ich wünsche Ihnen und mir, dass dieses Weihnachtsfest ein Fest der Harmonie und Freude wird.

Und wenn wir es schaffen, den Himmel in uns zu finden, so dass Jesus Christus in uns geboren wird, dann kann jeder Tag ein Stück Weihnachten sein. Dann wird aus dem Fest des Kommerzes und der Geschenke ein Fest des Friedens und der Liebe, denn das Weihnachtsfest wird nicht, wie es ein Elektromarkt verkündet, unterm Weihnachtsbaum entschieden sondern in unseren Herzen.

Amen

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